Flüchtlinge in Bad Salzuflen
Die folgenden Ausführungen thematisieren die mit dem Zuzug von Flüchtlingen verbundenen Handlungsfelder sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Stadt Bad Salzuflen.
Verlässliche Prognosen zur Anzahl der Personen, die nach Bad Salzuflen zugewiesen werden, zu Abwanderungen und zu künftigen Entwicklungen sind kaum möglich und basieren lediglich auf momentanen Einschätzungen und Annahmen. Das Tagesgeschehen insbesondere in den Krisengebieten sowie veränderte Leitlinien in der Flüchtlingspolitik können die Zahlen gravierend beeinflussen.
Eine Stabilisierung der Lage oder gar ein Rückgang der Flüchtlingszahlen ist nicht absehbar. Vielmehr gehen alle Prognosen von weiterhin steigenden Zahlen aus. Der Handlungsdruck und die unmittelbaren Auswirkungen auf die Stadt, ihre Bürgerinnen und Bürger sowie auf ihre Einrichtungen, Organisationen und Verbände werden damit vermutlich weiter zunehmen.
Bereits in den vergangenen Wochen und Monaten hat der Zustrom der Flüchtlinge eine Reihe von kurzfristigen Entscheidungen mit erheblichen sozialen, gesellschaftlichen und finanziellen Auswirkungen erfordert. Provisorische Maßnahmen, die aufgrund des enormen Handlungsdrucks nahezu an der Tagesordnung waren, werden nunmehr durch mittelfristige konzeptionelle Handlungsstrategien abgelöst. Dabei sind sozialpolitische Aspekte mit dem Ziel einer weitgehenden und zeitnahen Integration und Akzeptanz ebenso zu berücksichtigen wie die finanziellen Auswirkungen der Maßnahmen.
Kurz vor dem Jahreswechsel hat das Land NRW einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der zur Entlastung der Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung beitragen soll. Im Kern zielt der Katalog darauf ab, durch leicht verlängerte Vorlaufzeiten, beschleunigte Asylverfahren und vor allem durch den Ausbau der Unterbringungskapazitäten in Landeseinrichtungen zu einer Entspannung auf kommunaler Ebene beizutragen. Die Auswirkungen der Maßnahmen bleiben vor dem Hintergrund der ungewissen Entwicklung der Flüchtlingszahlen im Jahr 2016 abzuwarten.
Zuweisungen im Jahr 2015
Die Zuweisung der Flüchtlinge auf die Länder erfolgt auf Basis des sog. „Königsteiner Schlüssels“. Bezogen auf eine Zahl von etwa 1,1 Millionen Flüchtlinge bundesweit errechnet sich für Bad Salzuflen in 2015 eine Aufnahmepflicht für zirka 700 Personen. Angerechnet auf diese Quote wird die Belegungszahl des Sophienhauses als Notaufnahmeeinrichtung des Landes NRW mit einer Kapazität von 350 Plätzen, sodass die Stadt rechnerisch 350 weitere Personen hätte aufnehmen müssen. Tatsächlich lag die Zahl bei 494 Personen. Die erhebliche Abweichung liegt unter anderem darin begründet, dass NRW überproportional viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Außerdem wurden einige Kommunen vorübergehend aus der Zuweisung herausgenommen, da sie die Grenzen ihrer Möglichkeiten erreicht hatten. Andere, besonders größere Städte haben ihre Soll-Zahlen nicht erfüllt. Zudem wurde die tatsächliche Zahl der in Deutschland im Jahr 2015 aufgenommenen Flüchtlinge noch nicht abschließend ermittelt. Mit der verbindlichen Bestätigung der Zahlen wird etwa im März/April 2016 gerechnet.
Die Zahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden stieg im Oktober 2015 erheblich an. Waren zu diesem Zeitpunkt noch 23 Zuweisungen pro Woche zu verzeichnen, so erreichten die Zahlen in den Folgewochen Spitzenwerte von über 80 Personen. Im Durchschnitt wurden der Stadt Bad Salzuflen ab Oktober monatlich 195 Personen zugewiesen.
Unterbringung
Die derzeitigen Einrichtungen und Notunterkünfte der Stadt bieten bis zu 830 Plätze. Zum Jahresende 2015 sind 642 Plätze belegt worden. Somit bleibt eine freie Kapazität von rund 190 Plätzen. Für das Gebiet der Bundesrepublik wird heute von 1 bis 2 Millionen weiteren Flüchtlingen im Jahr 2016 ausgegangen. Daraus errechnet sich eine erwartete Zuweisung von 630 bis 1260 Personen im laufenden Jahr. Unter Berücksichtigung der freien Kapazitäten bleibt ein rechnerischer Bedarf von ungefähr 440 bis 1070 weiteren Plätzen.
Es werden also dringend zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten und weiterer Wohnraum notwendig sein. Neben anzumietenden Objekten ist es unerlässlich, neuen Wohnraum zu bauen. In einer ersten Phase bis Mitte des Jahres sollen mehrere Unterkünfte für insgesamt 300 Menschen errichtet werden. Die möglichen Belegungszahlen sind stark abhängig von ethnischer Herkunft, Konfession, Familienstand, Geschlecht und anderen Rahmenbedingungen.
Versorgung, Betreuung und Sicherheit
Wesentlicher Bestandteil im Betrieb der Übergangseinrichtungen und Unterkünfte ist die Versorgung und die Betreuung der Flüchtlinge. Die Stadt Bad Salzuflen kann dies mit eigenem Personal nicht leisten und ist auf die Zusammenarbeit mit externen Trägern angewiesen.
Verpflegung, Betreuung und Sicherheitsdienst in den Unterkünften „Turnhalle Wülfer-Bexten“ und „Festhalle Schötmar“ werden durch solche externen Dienstleister erbracht. In der Briten-Siedlung verpflegen sich die Flüchtlinge selbst. Vor Ort sind von der Stadt ein Sozialdienst und ein Hausmeister tätig. Quartiersmanagement und Sicherheitsdienst erfolgen durch externe Dienstleister.
Neben der betreuenden und beratenden Funktion erfüllen diese Mitarbeiter auch die Funktion einer Anlaufstelle für Problemsituationen oder Nachbarschaftsbeschwerden. So wird eventuellen Konflikten möglichst zeitnah und niederschwellig begegnet.
Bildung
Die stark gestiegene Zuwanderung von Familien mit Kindern nach Bad Salzuflen hat erhebliche Auswirkungen auf die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen.
Schule
Mit der Zuweisung an die Kommunen werden Kinder aus Zuwandererfamilien schulpflichtig. Die Stadt Bad Salzuflen als Schulträger ist verpflichtet, den Kindern und Jugendlichen einen Schulplatz zur Verfügung zu stellen. Daneben ist eine zeitnahe Beschulung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien für die gewünschte Integration von großer Bedeutung.
Um dieser Aufgabe nachzukommen, wurden in Bad Salzuflen an verschiedenen Standorten sog. „Internationale Klassen“ gebildet. In diesen Klassen werden ca. 15 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. In Bad Salzuflen gibt es derzeit 10 Internationale Klassen. Darüber hinaus besuchen zahlreiche Kinder auch Regelklassen und werden dort nach Möglichkeit individuell gefördert. Aufgrund der aktuellen Zuwanderungszahlen müssen voraussichtlich noch deutlich mehr Internationale Klassen gebildet werden. Dies soll möglichst im ganzen Stadtgebiet und an allen Schulen erfolgen, um eine Konzentration an bestimmten Standorten weitestgehend zu vermeiden. Die steigenden Schülerzahlen haben Auswirkungen auf die Raumsituation in allen Schulen. Eine bauliche Erweiterung von Schulstandorten kann nötig werden.
Offene Ganztagsgrundschule (OGS)
Eine Teilnahme der Kinder aus Zuwandererfamilien am Angebot des Offenen Ganztags an den Grundschulen ist wünschenswert. Die benötigten Raumressourcen sind aktuell jedoch knapp. Im Jahr 2016 werden umfangreiche bauliche Maßnahmen zum Ausbau und zur Weiterentwicklung der OGS-Standorte erfolgen.
Kitas und Tagespflege
Ohne neue, zusätzliche Plätze wird im Kindergartenjahr 2016/17 nach Einschätzung der Jugendhilfeplanung ein Versorgungsengpass eintreten. Die Jugendhilfeplanung hält deshalb den Bau einer neuen möglichst zentral gelegenen Kindertageseinrichtung mit mindestens 80 Plätzen für notwendig. Voraussichtlich stehen Landesprogramme zur Förderung von Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung, die hierfür in Anspruch genommen werden können.
Sprachkurse
Seit zehn Jahren bietet die Stadt niederschwellige Frauensprachkurse an und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Integration und Emanzipation von Migrantinnen. Die dort gewonnen Erfahrungen und geschaffenen Strukturen sind in der aktuellen Situation besonders hilfreich. Diese Angebote sollen ausgeweitet werden.
In allen bereits eingerichteten Internationalen Klassen fördern Lehramtsstudentinnen mit derzeit vier Stunden pro Woche die Kinder und Jugendlichen in Kleingruppen oder unterstützen sie direkt im Unterricht. Sprachangebote werden in einigen städtischen Übergangswohnheimen und im Sprachcafé im Begegnungszentrum Schötmar durch Ehrenamtliche vorgehalten.
Qualifizierte Integrationssprachkurse für anerkannte Asylbewerber werden an der Volkshochschule (VHS) Bad Salzuflen angeboten.
Maßnahmen innerhalb der Verwaltung
Um die große Anzahl der Flüchtlinge und die damit verbundenen erheblichen, meist sehr kurzfristigen Herausforderungen zu bewältigen, hat Bürgermeister Roland Thomas Ende Oktober 2015 einen Mitarbeiterstab zusammengestellt. Dieser klärt insbesondere zeitkritische und fachübergreifende Lagen und erarbeitet Lösungen.
Gleichzeitig wurden auf operativer Ebene kurzfristige Übergangslösungen, wie Mehrarbeit und Verstärkung des eingesetzten Personals durch Umsetzungen geschaffen. Diese ersten Maßnahmen reichen selbstverständlich nicht aus, um die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszuzug dauerhaft zu bewältigen. Es sind inzwischen 15 zusätzliche Beschäftigte eingestellt worden. Weitere Einstellung werden folgen.
Eine umfassende Informationspolitik gegenüber den Bürgern ist zentraler Bestandteil eines angemessenen Umgangs mit der Flüchtlingsthematik. Die Öffentlichkeitsarbeit erfolgt zentral über die städtische Pressestelle. Wichtige Informationen werden über die lokale Presse verbreitet und auf der städtischen Internetseite bereitgestellt. Es wird zeitnah und fortwährend über aktuelle Entwicklungen und Maßnahmen berichtet.
Für die Anwohner der drei größeren Flüchtlingsunterkünfte bzw. Wohnbereiche wurden Informationsveranstaltungen ausgerichtet, die von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern besucht wurden. Durch die Bündelung der Öffentlichkeitsarbeit wird eine einheitliche Informationspolitik sichergestellt.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Mit der großen Anzahl von Flüchtlingen, die aus Krisenregionen nach Deutschland kommen, ist auch die Zahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen stark angestiegen. Minderjährige Flüchtlinge stehen unter dem besonderen Schutz der UN-Kinderrechts-konvention und haben ein Recht auf eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung, Versorgung und Betreuung.
Früher als ursprünglich vorgesehen ist am 1. November 2015 das Gesetz zur Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher in Kraft getreten. Seitdem ist das Jugendamt, das die unbegleitete Einreise eines ausländischen Minderjährigen feststellt, zur Inobhutnahme verpflichtet. Die Zuweisung und die Anzahl unbegleiteter junger Flüchtlinge ist momentan nicht genau abzuschätzen. Aktuell ist davon auszugehen, dass Bad Salzuflen bis Ende 2016 insgesamt mindestens 45 minderjährige Flüchtlinge zugewiesen werden. Auch hier ist mit einem weiteren Anstieg der Aufnahmezahlen zu rechnen.
Die Stadt Bad Salzuflen kann momentan die angekündigten Inobhutnahmen weder räumlich noch fachlich in Eigenregie bewältigen. Das Jugendamt kooperiert bei dieser Aufgabe mit der Stiftung Eben-Ezer aus Lemgo. Eben-Ezer hat eine Erweiterung ihrer Tätigkeit auf den Personenkreis der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge vorgenommen.
Aufgrund der zu erwartenden Anzahl von Zuweisungen junger Flüchtlinge bedarf es zeitnah zwingend weiterer Einrichtungen der Jugendhilfe. Diese stehen kurzfristig nicht zur Verfügung. Für die Übergangszeit akzeptieren das Landesjugendamt und die als Träger vorgesehene Stiftung Eben-Ezer von zahlreichen Objekten, die die Stadt vor diesem Hintergrund geprüft hat, nur das städtische Jugendzentrum @on. Die räumlichen Ressourcen im @on ermöglichen eine gemeinsame Nutzung, die zum einen unbegleiteten Minderjährigen einen Wohnraum bietet und zum anderen dort die Jugendarbeit weiterhin ermöglicht.
Für einen begrenzten Zeitraum von sechs Monaten soll dieses Projekt der Partizipation im Jugendzentrum umgesetzt werden. Die Bestrebungen der Beteiligten aus dem Jugendamt der Stadt und der Stiftung Eben-Ezer können beispielhaft sein für die soziale Integration junger Flüchtlinge in unsere Gesellschaft.
Zeitgleich ist beabsichtigt, nach den Standards der Jugendhilfe im Stadtgebiet einen Neubau zu errichten. Dieser wird voraussichtlich ab Sommer 2016 bezugsfertig sein. In weiterer Kooperation mit der Stiftung Eben-Ezer sollen dort jugendliche Flüchtlinge betreut werden. Mit Inbetriebnahme des neuen Objektes steht das @on wieder in vollem Umfang als städtisches Jugendzentrum zur Verfügung
Diese und weitere Informationen finden Sie auch in der öffentlichen Informationsvorlage 3/2016 im Bad Salzufler Ratsinformationssystem.
zum Ratsinformationssystem